Beschluss vom 22.05.2025 -
BVerwG 5 PA 3.24ECLI:DE:BVerwG:2025:220525B5PA3.24.0
Kein aktives und passives Wahlrecht zum örtlichen Personalrat der Zentrale beim Bundesnachrichtendienst von Beschäftigten dezentraler Organisationseinheiten ohne örtlichen Personalrat
Leitsatz:
Beschäftigte solcher nicht zur Zentrale gehörender Teile und Stellen des Bundesnachrichtendienstes im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 BPersVG, die über keinen örtlichen Personalrat verfügen, sind personalvertretungsrechtlich nicht der Zentrale zuzuordnen und besitzen deshalb weder das aktive noch das passive Wahlrecht zum örtlichen Personalrat der Zentrale beim Bundesnachrichtendienst.
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Rechtsquellen
BPersVG §§ 14, 15, 25 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Satz 2, §§ 26, 112 Abs. 1 Satz 1 BPersVWO § 1 Abs. 2 Satz 1 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 22.05.2025 - 5 PA 3.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:220525B5PA3.24.0]
Beschluss
BVerwG 5 PA 3.24
In der Personalvertretungssache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Anhörung vom 22. Mai 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner beschlossen:
Der Antrag wird abgelehnt.
Gründe
I
1 Die Verfahrensbeteiligten streiten über die Gültigkeit der am 23. April 2024 durchgeführten Wahl des Beteiligten zu 1 (des Personalrats der Zentrale beim Bundesnachrichtendienst).
2 Der Bundesnachrichtendienst besteht aus der Zentrale in Berlin und dezentralen Organisationseinheiten im In- und Ausland. Teile und Stellen, die nicht zur Zentrale gehören, gelten kraft Gesetzes als (selbstständige) Dienststellen (§ 112 Abs. 1 Satz 1 BPersVG). Nicht in allen dieser Teildienststellen werden Personalräte gebildet. Am 23. April 2024 haben die in der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes Beschäftigten den Beteiligten zu 1 neu gewählt. Das Wahlergebnis wurde am 24. April 2024 bekannt gegeben.
3 Die Antragsteller, fünf Beschäftigte des Bundesnachrichtendienstes, die berechtigt sind, sich an der Wahl des Beteiligten zu 1 durch Stimmabgabe zu beteiligen, haben die Wahl angefochten. Sie halten die Wahl für ungültig, weil Beschäftigte solcher Teile und Stellen des Bundesnachrichtendienstes, die mangels Personalratsfähigkeit oder aus sonstigen Gründen selbst keinen örtlichen Personalrat wählen bzw. gewählt haben, zu Unrecht von der Wahl des Beteiligten zu 1 ausgeschlossen worden seien. Das stelle eine Behinderung der Wahl im Sinne von § 25 Abs. 1 BPersVG dar. Denn nach dem in der Rechtsprechung des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts herausgearbeiteten "modifizierten Gesamtpersonalratsmodell" sei für die betreffenden Organisationseinheiten der Beteiligte zu 1 als örtlicher Personalrat zuständig mit der Folge, dass die dort Beschäftigten das aktive und passive Wahlrecht zu ihm besäßen. Die im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes geübte Praxis, dass der Gesamtpersonalrat unmittelbar als örtlicher Personalrat für Organisationseinheiten ohne Personalrat zuständig sei, finde im Bundespersonalvertretungsgesetz keine Grundlage.
4
Die Antragsteller beantragen,
die Wahl zum Personalrat der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes vom 23. April 2024 für ungültig zu erklären.
5
Der Beteiligte zu 1 und der Beteiligte zu 2 (...) treten dem entgegen und beantragen,
den Antrag abzulehnen.
II
6 Der zulässige Wahlanfechtungsantrag, über den der Senat gemäß § 112 Abs. 8 Satz 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) im ersten und letzten Rechtszug zu entscheiden hat, ist nicht begründet.
7 Ein Wahlanfechtungsantrag ist nach § 26 BPersVG begründet, wenn die angefochtene Personalratswahl gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstößt und eine Berichtigung der Wahlfehler nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Als wesentlich sind alle Vorschriften anzusehen, die zwingender Natur sind (BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 2015 - 5 P 7.14 - PersV 2015, 264 Rn. 18). Auf einen Verstoß gegen Soll-Vorschriften kann eine Wahlanfechtung dagegen ebenso wenig gestützt werden wie auf einen Verstoß gegen bloße Ordnungsvorschriften (vgl. Schlatmann, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann u. a., Bundespersonalvertretungsgesetz, Stand Mai 2025, § 26 BPersVG 2021 Rn. 6). In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben fehlt es bereits an einem die Wahlanfechtung begründenden Wahlrechtsverstoß. Ein solcher liegt - worauf die Antragsteller ihren Wahlanfechtungsantrag allein stützen - nicht darin, dass die Beschäftigten solcher Teile und Stellen des Bundesnachrichtendienstes, die - aus welchen Gründen auch immer - über keinen örtlichen Personalrat verfügen, zur Wahl des Beteiligten zu 1 vom 23. April 2024 nicht zugelassen worden sind. Anhaltspunkte für etwaige weitere Wahlfehler ergeben sich - wie mit den Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Anhörung erörtert und von den Antragstellern nicht in Abrede gestellt - weder aus dem Vortrag der Verfahrensbeteiligten noch den vorgelegten (Wahl-)Unterlagen (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 1998 - 6 P 9.97 - BVerwGE 106, 378 <382>).
8 1. Der Vortrag der Antragsteller führt nicht auf einen Verstoß gegen die Vorschriften über die Wahlberechtigung in § 14 BPersVG oder die Wählbarkeit in § 15 BPersVG, die - was zwischen den Verfahrensbeteiligten zu Recht außer Streit steht - zu den als wesentlich im Sinne des § 26 BPersVG anzusehenden Vorschriften gehören.
9 Nach § 14 Abs. 1 BPersVG sind - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - wahlberechtigt (alle) Beschäftigten, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben. Wählbar sind gemäß § 15 Abs. 1 BPersVG die Wahlberechtigten, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben (Nr. 1) und seit sechs Monaten Beschäftigte im öffentlichen Dienst des Bundes sind (Nr. 2). Besteht die Dienststelle weniger als ein Jahr, ist Satz 1 Nr. 2 nicht anzuwenden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BPersVG). Unter einem Beschäftigten im Sinne dieser Vorschriften wird derjenige verstanden, der auf der Grundlage eines Beamten- oder Arbeitsverhältnisses in eine Dienststelle eingegliedert ist und dort an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitwirkt. Da der Begriff des Beschäftigten mit der Eingliederung in eine bestimmte Dienststelle verknüpft ist, setzt auch das den Beschäftigten zustehende aktive und passive Wahlrecht zum (hier örtlichen) Personalrat die Zugehörigkeit zu eben dieser Dienststelle voraus, bei der das Wahlrecht besteht und ausgeübt bzw. in Anspruch genommen wird (vgl. zu den insofern wortgleichen §§ 13 und 14 BPersVG a. F. BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 2002 - 6 P 8.01 - BVerwGE 116, 242 <243 f.> m. w. N.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 26. November 2008 - 6 P 7.08 - BVerwGE 132, 276 Rn. 25 m. w. N., 49). Das Wahlrecht nach § 14 Abs. 1 BPersVG bzw. die Wählbarkeit nach § 15 Abs. 1 BPersVG zum Personalrat der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes steht dementsprechend den Beschäftigten von Teilen und Stellen des Bundesnachrichtendienstes im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 BPersVG, in denen keine örtlichen Personalratswahlen durchgeführt werden, nur zu, wenn und soweit sie als Beschäftigte der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes anzusehen und dieser personalvertretungsrechtlich zuzuordnen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2025 - 5 PA 1.24 - zur Veröffentlichung vorgesehen, Rn. 11). Das ist nicht der Fall.
10 Insoweit verweist der Senat auf die Gründe seines den Verfahrensbeteiligten bekannten bzw. zugänglichen Beschlusses vom heutigen Tag in der Personalvertretungssache 5 PA 1.24 , mit dem er den Antrag des Beteiligten zu 1 festzustellen, dass zu seinem Geschäftsbereich auch alle Teile und Stellen des Bundesnachrichtendienstes gehören, für die mangels Personalratsfähigkeit oder aus sonstigen Gründen kein Personalrat gebildet ist, abgelehnt hat (vgl. dort unter 2. Rn. 9 ff.).
11 2. Der Vortrag der Antragsteller ist auch nicht geeignet, einen die Wahlanfechtung begründenden Wahlrechtsverstoß in Form des Verstoßes gegen das Verbot der Wahlbehinderung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und Satz 2 BPersVG i. V. m. § 1 Abs. 2 Satz 1 der Wahlordnung zum Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVWO) i. d. F. der Bekanntmachung vom 1. Dezember 1994 (BGBl. I S. 3653), zuletzt geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 9. Juni 2021 (BGBl. I S. 1614), zu begründen.
12 Bei § 25 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und Satz 2 BPersVG handelt es sich - worüber die Verfahrensbeteiligten ebenfalls zu Recht nicht streiten - um wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren im Sinne des § 26 BPersVG (vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 14. April 2004 - 1 A 4408/02.PVB - PersV 2004, 423 <426>; zu regelungsgleichen Vorschriften im Landespersonalvertretungsrecht etwa VGH Kassel, Beschluss vom 24. Februar 2005 - 22 TL 2583/04 - PersV 2005, 432 <433>; OVG Koblenz, Beschluss vom 4. Oktober 2022 - 5 A 11514/21.OVG - ZfPR 2023, 73 <73> m. w. N.). Danach darf niemand die Wahl des Personalrats behindern. Insbesondere dürfen Wahlberechtigte nicht in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts beschränkt werden. Eine Wahlbehinderung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BPersVG liegt vor, wenn der Ablauf der Wahl objektiv erschwert, verzögert oder unmöglich gemacht wird (vgl. zur inhaltsgleichen Regelung des § 21 Abs. 1 HPVG BVerwG, Beschluss vom 29. August 2000 - 6 P 7.99 - BVerwGE 112, 12 <14>). Die Vorschriften des § 25 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und Satz 2 BPersVG wenden sich an jedermann und somit auch an den Dienststellenleiter (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. November 1969 - 7 P 2.69 - Buchholz 238.3 § 21 PersVG Nr. 3 S. 1). Mit Blick auf die Ausführungen zu §§ 14 f. BPersVG kommt hier allenfalls eine Behinderung der Wahl durch einen Verstoß des Beteiligten zu 2 gegen § 1 Abs. 2 Satz 1 BPersVWO in Betracht. Danach hat die Dienststelle den Wahlvorstand bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen, insbesondere die notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen und, wenn erforderlich, zu ergänzen sowie die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Der Beteiligte zu 2 hat diese normativen Vorgaben nicht verletzt.
13 Er war - entgegen der Auffassung der Antragsteller - gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 BPersVWO nicht verpflichtet, dem Wahlvorstand für die Wahl des Personalrats der Zentrale Unterlagen über die Beschäftigten derjenigen Teile und Stellen des Bundesnachrichtendienstes im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 BPersVG zur Verfügung zu stellen und Auskünfte zu erteilen, in denen entweder mangels Personalratsfähigkeit oder aus sonstigen Gründen kein Personalrat gewählt wurde. Denn diese Beschäftigten sind aus den im Beschluss vom heutigen Tag in der Personalvertretungssache 5 PA 1.24 dargelegten Gründen, auf die der Senat auch in diesem Zusammenhang Bezug nimmt, nicht als Beschäftigte der Zentrale anzusehen oder dieser personalvertretungsrechtlich zuzuordnen (vgl. dort unter 2. Rn. 9 ff.).